Blog M. Baecher
Dass die beantragte Aufhebung der acht Parkplätze an der Seepromenade an der Gemeindeversammlung vom 28. Mai viel zu reden geben würde, war absehbar. Auch, dass die mit einem Ertragsüberschuss abschliessende Jahresrechnung 2023 sowie der Kredit für die Werkleitungserneuerung an der Weiher- und der Espenstrasse und jener für die EW-Zählererneuerung genehmigt werden würden, war zu erwarten. Für die ganz grosse Überraschung zum Schluss der Versammlung sorgte dann aber Gemeindepräsident Paul Keller mit der Ankündigung seines Rücktrittes auf den Mai 2025. Damit hatte niemand gerechnet.
Der Entscheid für die Rücktrittsankündigung habe für ihn zwei Seiten, meinte Paul Keller (Bild). Einerseits sei das Amt des Gemeindepräsidenten für ihn immer noch spannend und interessant und er mache die Arbeit immer noch sehr gerne. Andererseits sei er im nächsten Mai 10 Jahre im Gemeinderat, davon sechs Jahre als Gemeindepräsident. Auch wenn es ihm gesundheitlich gut gehe, merke er, dass «der Zahn der Zeit an einem nagt». Er glaube, dass sowohl für ihn persönlich als auch für die Gemeinde ein guter Zeitpunkt gekommen sei, das Amt in andere Hände zu geben. Die Gemeindeverwaltung sei sehr gut aufgestellt und könne mit den neuen Softwareupdates effizient arbeiten. Der Gemeinderat sei ein gutes Team und eine Reihe von grossen Projekten seien dann abgeschlossen (Ortsplanungsrevision, Werkleitungserneuerung usw.). Mit dem Schloss zeichne sich ein neues, länger dauerndes «Grossprojekt» ab. Für dessen Begleitung wäre es vorteilhaft, wenn das Gemeindepräsidium über diese Zeit stabil besetzt wäre. Alles nachvollziehbare Überlegungen und verständliche Begründungen. Aber: Paul Keller ist in jeder Hinsicht ein Glücksfall für unsere Gemeinde. Wir hätten uns gewünscht, dass wir zumindest noch einige Jahre länger daran hätten teilhaben dürfen. Und wünschten uns, dass er sich seine Entscheidung nochmals überlegt.
In Anbetracht dieser Rücktrittsankündigung ganz Schluss der Versammlung relativierte sich die Bedeutung der zuvor behandelten Geschäfte und der geführten Diskussionen.
Rechnung mit Ertragsüberschuss
Zunächst konnte die neue Gemeindeschreiberin Karin König-Ess bekannt geben, dass 40 Stimmberechtigte anwesend seien. Der Jahresbericht des Gemeindepräsidenten wurde einhellig genehmigt und mit Applaus verdankt. Danach erläuterte der dafür zuständige Gemeinderat Peter Fritschi erstmals die Rechnung des vergangenen Jahres. Sie schliesst statt mit einem budgetierten Aufwandüberschuss von 183’470 Franken mit einem Ertragsüberschuss von 70’620 Franken ab, oder mit anderen Worten: um rund 254’000 Franken besser als erwartet. Zu verdanken ist dies vor allem den nicht vorhersehbaren Grundstückgewinnsteuern in fast gleicher Höhe (über 247’000 Franken). Zu diesem positiven Ergebnis beigetragen haben aber auch die um 37’000 Franken höheren Steuern juristischer Personen (total 62’000 Franken), die um gut 82’000 Franken höheren Steuern natürlicher Personen früherer Jahre (total über 142’000 Franken) wegen ordentlicher Besteuerung (statt Quellensteuer). Insgesamt konnten so die Mehrausgaben in verschiedenen Positionen aufgefangen werden, beispielsweise jene (von gut 22’000 Franken) für den Support der Kanzlei durch Simon Affentranger von der BDO, der während der Vakanz mit seiner grossen Erfahrung und seinem umfassenden Wissen seit Anfang November den Bereich Finanzen und Steuern betreut und neue Software-Lösungen eingeführt hat. Oder die Mehrausgaben für externe Berater und Gutachten (knapp 45’000 Franken) im Zusammenhang mit sehr komplexen Baugesuchen. Ein Teil davon werde über die Baubewilligungen wieder zurückfliessen.
Darauf wurde sowohl die Erfolgsrechnung 2023, die Bilanz mit einem Eigenkapital von gut 3 Mio. Franken per Ende 2023 und die Investitionsrechnung 2023 mit einem aktivierten Ausgabenüberschuss von gut 95’000 Franken praktisch einstimmig genehmigt. Ebenso gutgeheissen wurde der Antrag, den Ertragsüberschuss von gut 70’000 Franken dem Eigenkapital zuzuweisen, womit er nach Bedarf am flexibelsten verwendet werden kann.
Werkleitungserneuerung im westlichen Dorfteil
Einleitend zum Kreditantrag von 855’000 Franken für die Werkleitungserneuerung in der Weiher- und der Espenstrasse zeigte der Gemeindepräsident anhand des Investitions- und des Finanzplans auf, dass die finanzielle Situation von Gottlieben in absehbarer Zeit recht stabil bleiben wird und der Abschreibungsbedarf nach einem Anstieg auf rund 100’000 Franken pro Jahr später wieder sinken wird. Auch bei der 3. Etappe der Werkleitungserneuerung sind wiederum die Technischen Betriebe Tägerwilen mit dem Ersatz der teils über 100 Jahre alten, reparaturintensiven Wasserleitungen federführend. Die Gemeinde Gottlieben nutzt die Gelegenheit, das (teilweise störungsanfällige) Mittel- und Niederspannungsnetz (Kosten: 280’000 Franken) und die Strassenbeleuchtung (100’000 Franken) zu erneuern, die Schaltanlage der Trafostation Espen zu ersetzen (80’000 Franken) und daneben einen dritten Unterflurcontainer einzubauen (25’000 Franken). Für die Sanierung der Kanalisation sind 95’000 Franken eingerechnet, für den Strassenbau 275’000 Franken. Bei Bedarf werden auch die Gas- und Kommunikationsleitungen erneuert, was Sache der jeweiligen Betriebe ist.
Die Leitungen für den Seewärmeverbund (auf Kosten der Wärme Gottlieben AG) dürfen auf Grund von entsprechenden Vorschriften nicht im gleichen Graben verlegt werden und benötigen einen gewissen Abstand zu den übrigen Leitungen. Um die Zugänglichkeit während den Bauarbeiten gewährleisten zu können, soll der jeweilige Abschnitt in zwei Schritten ausgeführt werden. Die Bauarbeiten sind für den Zeitraum zwischen Herbst 2024 und Frühling 2025 geplant. In Anbetracht des Umfangs und der Komplexität des Vorhabens hatte der Gemeinderat vorgängig der Gemeindeversammlung zu einer gut besuchten Informationsveranstaltung eingeladen, bei der auch die Fachplaner die vorgesehenen Arbeiten erläuterten. So gab es an der Versammlung kaum noch Fragen, der Kredit wurde einstimmig genehmigt.
Im Zuge der Werkleitungserneuerung an der Weiher- und der Espenstrasse (Bild) wird neben der Trafostation (links) auch der dritte Unterflurcontainer eingebaut.
Weiterer Kredit für Zählererneuerung
Ebenso einhellig war die Zustimmung zum Kreditantrag von 68’000 Franken für die Umstellung der zweiten Hälfte der rund insgesamt 240 Stromzähler auf SmartMeter. Die gesetzlich vorgeschriebene Umrüstung auf intelligente Zähler soll damit beschleunigt werden, um die regulatorischen Vorgaben rechtzeitig zu erfüllen und die Ablesung und Verrechnung über die in der Einführung befindliche Softwarelösung zu automatisieren, womit auch fehlerhafte Stromrechnungen der Vergangenheit angehören sollten.
Für und wider die Aufhebung von Parkplätzen
Beim nächsten Traktandum, bei dem es um die Aufhebung der acht Parkplätze in der Blauen Zone an der Seestrasse ging, war es dann erwartungsgemäss vorbei mit der Einigkeit. Kurt Huber hatte an der letzten Gemeindeversammlung vom 28. November einen entsprechenden Antrag gestellt, der damals mit 16 Ja- gegen 11 Nein-Stimmen bei 7 Enthaltungen angenommen wurde. Wie Gemeindepräsident Paul Keller anhand einer Präsentation darlegte, habe sich der Gemeinderat seinen Antrag auf Beibehaltung dieser Parkplätze nicht leicht gemacht, die Parkplatz-Situation umfassend analysiert und die Gründe dafür und dagegen sorgfältig abgewogen. So zeigte er auf, dass die Verkehrssituation Gottlieben seit Ende der 80-iger/Anfang der 90-iger Jahre immer wieder intensiv beschäftigt hat. Mit der Einführung der neuen Parkordnung mit den Blauen Zonen (BZ) auf den 1. September 2014 sei eine gewisse Beruhigung eingetreten. Gegenwärtig verfüge Gottlieben im Dorfkern auf öffentlichem Grund über 62 BZ-Parkplätze (inkl. jene an der Seestrasse). Im Moment seien 43 Jahreskarten ausgegeben, die BZ-Parkplätze würden demnach überwiegend durch Anwohner genutzt. Er wies zudem darauf hin, dass das Restaurant «Krone» nach dem Umbau wieder eröffnet wird. Der Gemeinderat sei zum Schluss gekommen, dass die momentane Situation auf einer sorgfältigen Abwägung der verschiedenen privaten und öffentlichen Interessen beruhe und eine ausgewogene Kompromisslösung darstelle. Daher lehne er die Aufhebung der acht BZ-Parkplätze an der Seestrasse zumindest zum jetzigen Zeitpunkt ab. Eine erneute Überprüfung der Situation im Zeitrahmen von drei bis fünf Jahren nach Abschluss der laufenden, grossen Projekte könnte aber sinnvoll sein.
In der nachfolgenden, längeren und teils auch emotional geführten Diskussion wurde unter anderem ins Feld geführt, dass es eine Frage der Prioritätensetzung sei, ob die Seepromenade für Autos oder für die Menschen da sein solle. Es wurde dazu aufgefordert, nach Alternativen zu suchen – auch mit so abstrusen Vorschlägen wie jenem, Parkplätze auf der Dorfwiese zu schaffen. Auf der anderen Seite wurde darauf hingewiesen, dass die Aufhebung dieser acht Parkplätze zu noch mehr Suchverkehr führen würde.
Die Abstimmung ergab denn auch das knappst mögliche Resultat: 18 Ja für den Antrag des Gemeinderats auf Beibehaltung der acht Parkplätze gegenüber 17 Nein. Die restlichen Stimmberechtigten enthielten sich der Stimme.
Markanter Anstieg des Pegels zu erwarten
Bei den «Mitteilungen» wurde es dann wieder ruhiger. Gemeinderat Sandro Kappler teilte mit, dass es für den Glasfaserausbau keinen Zeitplan gebe, sein Ratskollege Bruno Schärer gab bekannt, dass das Gesuch für die Erneuerung des Landungsstegs jetzt beim Kanton und die Realisierung für den Winter 2024/25 geplant sei. Gemeindepräsident Paul Keller konnte darauf hinweisen, dass das Interesse für den Bezug von Seewärme gross sei (rund zwei Drittel der Gesamtleistung), und unter den Arkaden bei der Schiffslandestelle dank des Entgegenkommens des «Porto Sofie» ein idealer neuer Standort für den Defibrillator gefunden werden konnte. Zudem wies er darauf hin, dass auf Grund der Prognosen in den nächsten Tag mit einem markanten Anstieg des Pegels zu rechnen sei und entsprechend vorgesorgt werden soll. Und schliesslich rief er dazu auf, betreffend Diebstahl von Bootsmotoren die Augen offen zu halten.