Blog von T. Schürpf

gibt einen Einblick ins Lebenswerk von Lore Gerster

«Wir haben viel gegeben, aber wir haben noch viel mehr bekommen»

Viel Glück: «Tashi Deleg» – so begrüsst man sich in Tibet – und so lautet auch der Titel eines Films über das Wirken Lore Gersters zugunsten von Flüchtlingen aus Tibet. Rund 40 Besucherinnen und Besucher sahen sich am Sonntagnachmittag des 23. April den vom Einwohnerverein gezeigten Dokumentarfilm im voll besetzen Saal des Bodmanhauses an. Sie erhielten einen bewegenden Einblick in Gersters Arbeit als Künstlerin und in ihr jahrzehntelanges Engagement für Tibet.

Vor 50 Jahren ist Lore Gerster mit ihrem Mann Jörg und den Kindern aus dem Kinderdorf Pestalozzi in Trogen nach Gottlieben gezogen. Schon im Kinderdorf hatten sie tibetische Flüchtlinge kennengelernt. Und in Gottlieben entschied sich Lore Gerster, die Erlöse aus ihrer Kunst und ihren Seminaren für ein Bildungsprojekt zugunsten dieser jungen Tibeterinnen und Tibeter einzusetzen. Sie förderte erst hauptsächlich die Transit-Schule für junge Erwachsene im nordindischen Dharamsala. In dieser Stadt hält sich seit 1960 der Dalai Lama auf und hier hat auch die tibetische Exilregierung ihren Sitz. Zehntausende von Exil-Tibetern, die nach der Besetzung ihres Landes durch China und der gewaltsamen Niederschlagung eines Aufstands von 1959 hierher geflohen sind, leben in dieser Stadt am Fusse des Himalayas.

In einem als Tagebuch-Notizen benannten Buch hat Lore Gerster über das Leben im Flüchtlingslager berichtet. Durch dieses Buch ist die Thurgauer Regisseurin Yvonne Escher auf Gersters Engagement aufmerksam geworden. In den Jahren 2000 und 2001 hat sie den Dokumentarfilm «Tashi Deleg» über das Schicksal der in Nordindien lebenden Tibeter und über das Wirken Gersters gedreht.

Der Film porträtiert einfühlsam Jugendliche und Kinder, die in wochenlangen, gefährlichen Gewaltmärschen über die Himalaya-Pässe aus ihrer Heimat nach Nordindien geflohen sind. «Wir wollen den Dalai Lama sehen und suchen eine Ausbildung», begründen viele ihre Flucht aus dem Land, in dem damals ihre Tradition und Kultur verboten waren. In eindrücklichen Bildern wird der Alltag im indischen Auffanglager sowie das Wirken der Helferinnen und Helfer, darunter auch von Tochter Ursula Gerster, aufgezeigt.

Wie Lore Gerster in einer kurzen Diskussion nach dem Film erklärte, hat sie nach den Erfahrungen in der Transit-Schule ein neues Ausbildungsprojekt unterstützt, das Claudia Masüger sowie Lugyal und Ursula Gerster aufgebaut haben. Ziel war es, jungen Erwachsenen eine Aus- und Weiterbildung zu geben, welche deren Eigenständigkeit und berufliche Perspektiven verbessern sollte. Im Mittelpunkt standen Englisch und Computerausbildung, aber auch vertiefte Chinesischkenntnisse. Die Ausbildung war an den Bedürfnissen in Tibet ausgerichtet und sollte auch eine Rückkehr der jungen Leute in ihre besetzte Heimat ermöglichen.

Befragt nach der Motivation für das grosse Engagement aller Projekt-Beteiligten wies Lore Gerster auch auf die buddhistische Karma-Lehre hin, wonach alles, was wir tun, irgendwie zu uns zurückkehrt. «Wir haben viel gegeben, aber wir haben noch viel mehr bekommen», erklärt sie dazu im Film.

Fotos 1 und 2: Monika Schoy-Lutz
Fotos 3: Thomas Schürpf